Wir sind in Österreich und hier ist der Schweinsbraten ein Nationalgericht. Nicht anders als in Bayern, wo wir herkommen. Also bereiten wir einen für Freunde und Familie zu, und zwar mit der Niedrigtemperaturmethode. Für das perfekte Ergebnis braucht man mehr als einen Tag, aber nur wenig davon ist mit Arbeit verbunden. Für ein spontanes Essen ist dies das falsche Gericht.
Für einen Schweinebraten kann man verschiedene Fleischstücke verwenden. Für diese Zubereitung eignet sich aber kein Stück besser als der Nacken (auch Kamm oder Hals genannt). In Österreich heißt dieses Stück Schopf. Anderes Fleisch sollte man nicht verwenden, denn es kommt auf den Fettgehalt an. Der Nacken ist erheblich davon durchzogen und das sorgt nicht nur für viel Geschmack, sondern führt auch zu einem besonders saftigen Ergebnis. Wer Fett im Fleisch nicht mag, muss sich nicht sorgen: Es wird bei dieser Methode völlig umgewandelt und ist am Ende genauso zart wie der Rest.
Eine Kruste von der Haut des Schweins, wie sie vor allem in Bayern fast zu jedem Schweinebraten serviert wird, entsteht hier nicht. Will man das, muss man ein anderes Stück Fleisch und eine andere Zubereitungsart wählen, die wir bestimmt auch noch erklären werden.
Ein ganzes Nackenstück, wie wir es heute verwenden, wiegt üblicherweise 2,2 – 2,5 kg. Das reicht für 8 – 10 Portionen. Zumeist wird man also ein halbes Stück verwenden. Noch kleinere Portionen sollte man nicht zubereiten, denn das Verhältnis von Oberfläche zu Kern wird sonst ungünstig für ein saftiges Ergebnis.
Begonnen wird mit der Würzung und die muss kräftig sein. Dafür verwenden wir reichlich grobes Meersalz, grob gemahlenen schwarzen Pfeffer, gemahlenen Kümmel und Koriander sowie Knoblauchpulver.
Knoblauchpulver verwenden wir ansonsten nur sehr selten, zumeist für die Herstellung von Wurst. In diesem Fall eignet es sich aber besser als frischer Knoblauch, der rasch bitter werden würde. Viele Menschen kochen nicht mit Kümmel, hier sollte er aber auf keinen Fall weggelassen werden. Keine Sorge, sein Geschmack wird am Ende sehr subtil sein.
Das Fleisch wird gewaschen, getrocknet und von etwaigen groben Fettstücken befreit. Danach reiben wir es auf allen Seiten kräftig mit unserer Gewürzmischung ein.
So wird das Fleisch fest in Küchenfolie gewickelt und in den Kühlschrank gelegt. Um ein so großes Stück zu würzen, braucht es Zeit. Acht Stunden wären für uns das absolute Minimum. Wir geben ihm einen vollen Tag.
Danach nehmen wir das Fleisch aus dem Kühlschrank und lassen es eine Stunde Temperatur annehmen, bevor wir es in einer großen Schmorpfanne mit wenig neutralem Öl oder Butterschmalz bei hoher Hitze rundherum kräftig anbraten. Mehr Farbe bedeutet mehr Geschmack.
Erneut lassen wir es eine Stunde ruhen, diesmal um es abzukühlen. Dann streichen wir das Fleisch rundherum mit mittelscharfem Senf ein (Dijonsenf).
Zum Schweinebraten gehört zwingend eine sehr gute Soße und in Bayern macht man die sehr gerne aus dunklem Bier. Dafür beginnt man mit aromatischem Wurzelgemüse, also Karotten, Sellerie, Lauch und Petersilienwurzel, wenn verfügbar. In Deutschland und Österreich wird das oft für genau diesen Zweck zusammengestellt, und zwar die weniger schönen Stücke, die sonst vielleicht weggeworfen würden. Das nennt man Suppengrün und genau das haben wir uns besorgt.
Dieses Gemüse waschen wir und schneiden es in grobe Stücke. Schälen ist nicht notwendig, es wird nur ausgekocht und nicht mitgegessen. Wir schwitzen es in der Pfanne an, in der wir das Fleisch gebraten haben und dessen Geschmack nehmen wir dabei für die Sauce mit.
Nach etwa 5 Minuten auf mittelhoher Hitze beginnt das Gemüse zu duften und wir bestäuben es mit etwas Puderzucker, für noch mehr Süße, die später die Bitterkeit des Bieres balancieren wird.
Nach weiteren 5 Minuten fügen wir geviertelte Zwiebeln und ganze, ungeschälte Knoblauchzehen hinzu, die wir nur einmal sehr kräftig mit dem Handballen angedrückt haben, damit sie ihr Aroma besser abgeben.
Das alles gießen wir mit Bier auf, und zwar zur Hälfte mit sehr kräftigem, dunklem Bier und zur anderen Hälfte mit Malzbier, das keinen Alkohol enthält und recht süß ist. Dazu kommen noch Gemüsebrühe, Lorbeerblätter und ganze Petersilienstängel.
Schweinebraten kann bei ganz unterschiedlichen Temperaturen zubereitet werden. Die Rezepte bewegen sich hier in einer großen Skala von 100 bis 200 Grad Celsius. Bei größerer Hitze ist die Garzeit natürlich viel kürzer. Mehr Zeit und weniger Temperatur sind aber immer zu empfehlen.
Die gewünschte Kerntemperatur (also die Temperatur im inneren des gegarten Fleisches) für den Nacken liegt bei 68 Grad und das ist grundsätzlich mit jeder Temperatur des Ofens zu erreichen, die darüber liegt. Daher bevorzugen wir 80 Grad für ein hervorragendes und noch dazu absolut zuverlässiges Ergebnis.
Bei einer so niedrigen Temperatur sind allerdings keine großen Spielräume erlaubt, das Fleisch soll schließlich auch gar werden und hygienisch verarbeitet sein. Daher kann man sich auf die Anzeige des Ofens allein nicht verlassen, außer man hätte ein äußerst modernes und präzises Gerät im Haus. Hier hilft ein digitales Thermometer mit Kabel und Sonde. Die Anschaffung eines solchen Thermometers (z.B. ThermoPro TP16 – und nein, wir machen keine Werbung und bekommen nichts dafür, es ist nur ein taugliches Produkt), das nicht mehr als 20 Euro kosten muss, empfehlen wir ohnehin, weil man damit nämlich die Kerntemperatur seiner Speisen messen kann und so genau weiß, ob Steak oder Fisch perfekt gegart sind, ohne sie aufschneiden zu müssen.
Wir schalten den Ofen auf Ober- und Unterhitze ohne Umluft und stellen knapp 100 Grad ein. Das Kabel des Thermometers führen wir durch die Ofentür, so dass die Sonde nicht in Kontakt mit Metall kommt. Dann beobachten wir die Temperatur und stellen den Ofen so ein, dass er im Mittel bei 80 Grad liegt. Die meisten Öfen werden immer wieder schwanken, weil ihr Thermostat die Energiezufuhr bei zu hoher Temperatur unterbricht und der Ofen dann langsam abkühlt, bis der Thermostat ihn wieder aufheizen lässt. In unserem Fall lag die Schwankung heute bei etwa 8 Grad. Das macht aber gar nichts, wenn die Temperatur 75 Grad nicht unterschreitet und im Mittel bei 80 Grad oder ein wenig darüber liegt. Nur über 90 Grad sollten es nicht sein, weil das die Garzeit schon deutlich verändern würde.
Dann platzieren wir die Schmorpfanne mit dem Saucenansatz auf dem Boden des Ofens und den Braten auf einem Gitter direkt darüber. So landet aller austretender Fleischsaft genau da wo er hingehört, nämlich in der Sauce.
So bleibt das, ohne dass man irgendetwas tun würde, für mindestens 10 Stunden. Das Tolle an dieser Methode: Das Fleisch kann wegen der niedrigen Temperatur nicht zu weit gegart werden, es bleibt über Stunden gleichbleibend gut. Auch 12 oder gar 14 Stunden wären also kein Problem. Das ist sehr praktisch, wenn Gäste sich verspäten.
Wir lassen das Fleisch über Nacht garen und nehmen am nächsten Vormittag den Braten aus dem Ofen. Trotz der sehr niedrigen Temperatur hat er eine kräftige Farbe angenommen und ist außen unerhört würzig. Innen ist er so zart wie nur möglich. Ein weiterer Vorteil dieser Zubereitung: Das Fleisch verliert viel weniger an Volumen, als bei großer Hitze. Das freut den Gastronom.
Den Braten wickeln wir sofort fest in Alufolie und lassen ihn rasten. Das ist bei gegartem Fleisch IMMER sehr wichtig, es sollte nie direkt von der Hitze genommen und aufgeschnitten oder verzehrt werden. Das gilt auch für Gegrilltes. Unter der Hitze zieht es sich zusammen und wenn man es jetzt anschneiden würde, liefe der Saft samt Geschmack nur heraus. Lässt man es ruhen, entspannt es sich und der Saft verteilt sich im Fleisch, das zudem zarter wird. Man muss keine Sorge haben, dass es kalt werden würde – das dauert sehr lange. Und wenn nötig, könnte man diesen Braten auch eingewickelt wieder in den Ofen geben, um ihn warm zu halten.
Auch die Sauce hat sich prächtig entwickelt:
Wir gießen sie durch ein Sieb und drücken das Gemüse noch gut aus, dann hat es seinen Dienst getan und landet auf dem Kompost.
Die Sauce kochen wir nun noch einmal auf und schmecken sie ab. Je nach Geschmack fügt man Salz, Pfeffer oder einen Spritzer Essig hinzu, wobei man immer einige Minuten warten sollte, bis das zusätzliche Aroma in der Sauce aufgegangen ist, bevor man erneut probiert und nachwürzt.
Sauce zu Schweinebraten wird grundsätzlich nicht gebunden, sie soll recht flüssig bleiben. Wer sie unbedingt dicker haben möchte, kann Flocken kalter Butter mit dem Schneebesen einrühren, wir machen das aber nicht.
Jetzt schneiden wir unseren Braten an, der inzwischen 20 Minuten geruht hat. Kalt wird er in dieser Zeit überhaupt nicht. Und weil wir ihm die Zeit gegeben haben, bleibt der Saft im Fleisch und läuft nicht über unser Brett. Das wenige Fett, das noch sichtbar ist, löst sich vollkommen vom Muskelfleisch und hat den Braten saftig gehalten.
Wir servieren mit Kartoffeln statt den in Bayern klassischen Kartoffelknödeln – auch etwas, das wir noch erklären müssen. Nur wie man Breznknödel macht, haben wir hier schon beschrieben (das sind eh die Besten).
Dazu gibt es eine geradezu zwingende Beilage: Krautsalat, die traditionelle Version.
Genießt es.
And may the taste be with you.
Zutaten (für 8 – 10 Personen, sonst halbieren):
1 ganzer Schweinenacken bester Haltungsform und Qualität bitte, ca. 2,2 – 2,5 kg
Je 2 EL grobes Salz und schwarzen Pfeffer
Je 1 EL gemahlenen Kümmel, Koriander und Knoblauchgranulat
Etwas neutrales Öl oder Butterschmalz zum Anbraten
3 EL mittelscharfer Senf (Dijon)
Insgesamt 1 kg Karotten, Sellerie, Petersilienwurzel (optional) und Lauch
3 Zwiebeln
4 Knoblauchzehen
1 EL Puderzucker
0,5 l Dunkelbier
0,5 l Malzbier
0,5 l Gemüsebrühe (oder Wasser)
4 Lorbeerblätter
½ Bund Petersilie
Optional: Etwas kalte Butter
Der beste Braten überhaupt. Sogar meine Oma hat ihn geliebt.